Hawaii meets Zurich oder Donavon makes us sweat

Konzertkritik: Donavon Frankenreiter
Bildquelle: 
© Stéphane Kaeser

Text von Markus Frei Willis

 

Die kurze Vorgeschichte

 

Vor ein paar Monaten schlenderte ich etwas gelangweilt durch den CD-Shop im Glattzentrum und wusste nicht recht, was ich mir kaufen sollte – ich wusste nur, ich brauch mal wieder etwas Saftiges mit gutem Groove, aber auch gemütlich genug für das Auto und das Wohnzimmer sollte es sein. Die Verkäuferin, ein junges quirliges Fräulein (selbst eine Musikliebhaberin und nicht bloss eine Tonträgerverkäuferin), streckte mir, als ich ihr das Stichwort „etwas Chilliges wie z.B. Jack Johnson“ zuwarf, die erste CD von Donavon Frankenreiter hin. Kopfhörer an, erstes Lied „It don’t matter“ - genau, was ich brauchte, perfekt. In den folgenden Wochen kamen dann alle seine restlichen Alben hinzu, fast wie von alleine. Und dann erfuhr ich, dass er im August live in Zürich spielt. Es blieb also genug Zeit, mich mit seiner Musik richtig anzufreunden. Was nicht schwierig ist, wenn man ein Musikliebhaber und ein bisschen ein Träumer ist. Mit Donavon im Ohr erscheint die Welt gleich wesentlich sonniger und freundlicher. 

 

Am Nachmittag des 6. August hatte ich dann sogar noch die Gelegenheit, mit Donavon ein Interview zu führen, kurz vor dem Soundcheck im Komplex Klub in Zürich. Wir haben uns an der Bar etwas unterhalten, während er ein paar Rüebli mit Dipsauce knabberte. Danach hab ich mir den Soundcheck angehört, die Band und Crew war freundlich, aber etwas beschäftigt. Musik ist halt auch ein Handwerk, die Arbeitswerkzeuge müssen geölt und aufeinander abgestimmt werden, da muss man sich konzentrieren. Sowieso wollte ich mich nicht wie ein Groupie an die Band ranschmeissen. 

 

Vorband - Michael Wespi

 

Ein paar Stunden später dann, die Vorband war am Zug. Michael Wespi, ein Schweizer Musiker, solo mit Gitarre, der schon drei CDs rausgebracht hat, chapeau! Lediglich mit seiner Gitarre, seiner Stimme und ein paar mit dem Fuss bedienbaren Elektronik-Gadgets hat er eine ganze Band imitiert, verschiedene Gitarrenstimmen, Beats und Gesangselemente geloopt und ins Publikum gepfeffert. Ziemlich gut. Aber halt nicht ganz der federleichte und doch so bestimmte Groove von Donavon, der einem ganz automatisch mitswingen lässt. In der tropischen Hitze des Klubs, bei mindestens gefühlten 40°C, war die Stimmung freundlich, erwartungsfroh, aber etwas träge.  

 

 

Donavon and his Band

 

 

Um 21.15 Uhr dann kam Donavon and Band. Die Bühne voller Spiegel-Discokugeln, die Donavon am Nachmittag im ganzen Klub irgendwo zusammengeklaut hatte. Immer wieder tauchte er mit einer noch grösseren auf, das war ziemlich witzig. Der grosse Strauss weisser Lilien in der Mitte der winzigen Bühne strahlte, gewollt oder ungewollt, eine Prise Hawaii-Ambiente aus (Donavon war in seinem früheren Leben bekanntlich ein Profi Surfer und lebt mit seiner Familie seit sechs Jahren auf Hawaii). 

 

 

Es begann gemächlich mit „too much water“, daran schloss „start livin“ an, der Titelsong seiner neuesten, gleichnamigen CD. Und schon zwei Stücke später liess er seine Hits aus dem Sack, einen nach dem anderen: „Wat’cha know about“, „Free“, „life, love, laughter“ und „move by yourself“. Mein Freund nebenan hatte Recht: Donavon zieht anscheinend magisch ein junges, fröhliches und hübsches Publikum an, wie die Biene den Honig. Zu Beginn war ich durch die schon neunzig Minuten in dieser Tropensauna verbrachte Wartezeit (inkl. Vorband, sorry) etwas skeptisch und schon fast ein wenig verstimmt, ich war ja dort als Konzertkritiker und nicht als Fan. Aber spätestens nach dem vierten Song hat sich in diesem jungen Publikum ein Gefühl der Belohnung für die bisher erduldeten Mühen ausgebreitet und die Körpersprache der meisten Anwesenden verriet eine Vorahnung, dass sich die Investition von Fr. 45 in das Ticket ausbezahlen wird.

 

Um richtig abzutanzen war es schlicht zu heiss und zu voll, aber Donavon hatte das Publikum zu diesem Zeitpunkt bereits fest im Griff. Als er bei „life, love, laughter“ dann eine junge Dame aus dem Publikum auf die Bühne holte, wurde es spannend und ganz still im Publikum. Sie stand dort oben, weil sie ihm wie ein artiges Schulmädchen bei der Frage, wer mit ihm mitsingen wolle, ihren Finger entgegengestreckt hatte. Alle Augen auf sie gerichtet, fast wie bei der ersten Runde von The-Voice-of-Switzerland, halt nur einfach live. Als Donavon ihr dann das Mikro überliess und sie losröhrte, floss das durch die Hitze und die Musik angestaute Adrenalin und Endorphin des Publikums en masse Richtung Bühne und von dort wieder zurück. 

 

Happy End à la Hollywood

 

Das anschliessende „move by yourself“ ist meiner Meinung nach eines seiner besten Stücke. Auf CD wie auch live, weil es das ganze Spektrum seiner Musik von süsser Kuschelmusik-Akkustik über groovig-funkigen Dancebeat bis hin zu purem, hartem, schönem Rock enthält. Wenn man Donavon so sah, in seinem schwarz-weissen Led Zeppelin T-Shirt, mit Mähne und Hut, wie er da seine Gitarre misshandelte und das Keyboard hammondorgelähnliche Schallmauern in den Raum röhrte, kam man ins nostalgische Schwärmen und musste zwangsläufig an die grossen Rockbands der Siebziger Jahre denken. Mit dem kleinen aber feinen Unterschied, dass hier ein charmanter, freundlicher Teddybär auf der Bühne steht, anstelle der oft ziemlich arroganten und etwas verstört wirkenden Rock-Legenden. 

 

 

Dann veranstaltete Frankenreiter nach ein paar weiteren Songs zum Schluss mit „it don’t matter“ nochmals dasselbe Spiel. Dieses Mal war der Freiwillige ein etwas blass und verängstigt wirkender junger Mann, der dennoch mutig genug war, auf der Bühne seine ihm vielleicht zustehenden 3 Minuten Ruhm einzufordern. Und zum Erstaunen des Publikums gelang ihm dies mit Bravour, smooth sang er mit und befeuerte das Publikum erneut mit Glückshormonen. Dann war das Konzert eigentlich fertig, aber natürlich gab es noch ein paar Zugaben. Es war so heiss, dass ich die Reihenfolge der Zugaben momentan nicht mehr verlässlich wiedergeben kann. Ich erinnere mich aber noch an einen Kommentar zu meinem mir zur Seite stehenden Freund ganz am Schluss der letzten Zugabe, kurz bevor dieses grässliche und unmissverständliche Neonlicht uns aus dieser bombastischen Klangwelt riss: „Wow, dieser Schluss fühlt sich an, wie das Happy End in einem perfekten Hollywoodfilm“.  

 

By the way

 

Was die fünf Mannen dem Publikum boten, war ein einmaliges Konzert mit allen Extras. Dieser Club der Bartträger sieht vielleicht aus wie eine Truppe von Althippies, ist in der Tat aber eine fein aufeinander abgestimmte Formation disziplinierter, präziser und virtuoser Schwerstarbeiter. Paul Clark brilliert am Piano/Keyboard sowie am Saxophon und auf der Lap Steel Guitar und sorgte zu Beginn auch auf der Mundharmonika für ein gekonntes Blues-Feeling. Auch Donavon ist ein begnadeter Gitarrist, aber wohl zu bescheiden, um permanent damit angeben zu müssen. Bei gefühlten 45°C auf der Bühne (im vollen Bühnenlicht) spielte die Band ca. 80 Minuten nonstop durch. Das zeugt von einer grossen Leidenschaft für die Musik, aber auch von Respekt dem Publikum gegenüber. Und dieser Respekt fliesst in Form von Applaus, Aufmerksamkeit und lebensfrohen Körperbewegungen (und einem gelegentlichen „I love you“ Ausruf) zurück zur Band. Ob sanft oder hart, bei Donavon geht durchs ganze Konzert nie der konstante und tragende Groove verloren, nie wird man im natürlichen Rhythmus unterbrochen, auf welchen die Band den Körper eingestellt hat. 

 

 

Eine Blondine zu meiner Linken meinte während des Konzerts zu ihren kichernden Freundinnen: „Aber dieser Schnauzer ist so ein Ablöscher“, wozu ich ihr leider beipflichten musste. Auch seine engen bordeauxroten Hosen und sein eher knappes T-Shirt, zusammen mit den mit Glitzerpailletten bestückten finkenartigen Mokassins wirkten etwas gay. Wir waren uns jedoch einig, dass wir vor allem wegen der Musik hierhingepilgert sind. Die restlichen Musiker erinnerten optisch weniger an Rockstars, eher an einen gemütlichen Männer-Jassclub, etwas gelangweilt oder zuweilen streng dreinblickend, mit Bärten und Mützen und Anzügen, wie abgebrühte Jazzmusiker halt. Okay, die Bühne war sowieso zu klein, um darauf rumzuturnen wie Mike Jagger. Aber egal: das Klanggewebe, das sie ihren Instrumenten entlockten, war ein Hochgenuss für das Ohr.

 

Konzerte vergleiche ich manchmal mit Geburtstagsparties: Man wird zu zehn eingeladen, geht zu sieben hin, drei davon sind scheisse, zwei davon sind so-so-la-la, und zwei sind grossartig und man fühlt sich danach (oder so in der Mitte davon) wie der glücklichste Mensch, so viel Freude und Freunde und Tanz und Alkohol, man möchte die ganze Welt umarmen. Da kann man sich nun auf die Statistik berufen und sagen: Ich geh nicht mehr an Geburtstagsparties mit einer Erfolgsquote von mageren 20%, basta. Oder man erinnert sich an das Glücksgefühl des letzten Partyerfolgs, bewahrt sich diese Erinnerung präsent und ruft sie ab, wenn die nächste Einladung reinkommt. So war es für mich am Konzert von Donavon: Ein perfektes Konzert lädt den Speicher mit genügend positiver Energie auf, um die Durstrecke der statistisch folgenden 4-8 mittelmässigen Konzerte zu überstehen und geduldig auf den nächsten Glücksfall zu warten. 

 

Bilder: © Stéphane Kaeser

markusfreiwillis / Mi, 07. Aug 2013